Obwohl Emotionen ein wesentlicher Bestandteil unseres Lebens sind, ist ihre Wahrnehmungsfähigkeit oftmals eingeschränkt. So kommen viele meiner KlientInnen mit dem Anliegen in die Praxis, ihre Gefühle erleben und benennen zu lernen.
Die Ursachen liegen meist in der Kindheit begraben. In vielen Familien werden Emotionen tabuisiert - sei es das Verbergen des Ärgers zwischen den Eltern infolge eines Streites oder das Verschleiern der Trauer über den Verlust eines wichtigen Menschen. Erwachsene versuchen in guter Absicht Kinder vor negativen Emotionen zu schützen. Jedoch sind Kinder feinfühlig und lernen am Modell, so dass sie es derart interpretieren, negative Gefühle nicht offen zeigen zu dürfen. Hinzu kommen traditionelle Rollenbilder, welche Jungen vermitteln, Weinen sei in der männlichen Rolle unangemessen. Zumindest letzteres erfährt seit einigen Jahren in Westeuropa einen gewissen Umbruch, wobei auch ein Stadt-Land-Gefälle zu beobachten ist. Doch selbst Familien, in denen die Kommunikation von Emotionen gefördert wird, ertappen sich immer wieder dabei, diese in der negativen Färbung zu unterdrücken versuchen. Ein klassisches Beispiel ist ein weinendes Kind. Fürsorgliche Erwachsene würden oftmals den Körperkontakt suchen und in der Absicht zu trösten folgende Wortwahl treffen: "Du musst doch nicht weinen. Es ist alles gut." Daraus prägt sich ein, der Schreck, die Enttäuschung, Trauer etc. sowie das Weinen in der Konsequenz seien kein adäquates Gefühl sowie keine angemesse Verhaltensweise auf das Erlebte.
Diese Erfahrungen beeinflussen unsere Gefühlswelt dahingehend, unsere Emotionen nicht entsprechend einordnen und benennen zu können bzw. diese zu verbergen und eine Fassade aufzusetzen.
Anm.: Die beschriebenen Ursachen beziehen sich auf ein grundsätzlich gesundes und förderliches Umfeld in der Entwicklung.