Das Empfinden von Schuld sichert grundsätzlich unser Überleben. Verstoßen wir gegen Regeln oder moralische Werte droht uns ein Ausschluss aus der Gruppe, was evolutionär tödlich assoziiert war. Das Antizipieren möglicher Schuld bewahrt uns vor der Umsetzung von Verhaltensfehltritten.
Begegnen uns bedrohliche, unkontrollierbare Situationen -wie sie traumatische Ereignisse mit sich bringen- versuchen wir ihrem Grund auf die Spur zu gehen. Lässt sich keine rationale Begründung finden, entsteht Ohnmacht. Indem Opfer die Ursache sich selbst zuschreiben, erlangen sie ein Gefühl von Kontrolle zurück.
Insbesondere multiple Traumatisierungen in der Ursprungsfamilie (z.B. psychischer, physischer oder sexueller Missbrauch) führen zu einem Muster von Schuldgefühlen. Jedes Kind ist bestrebt, sich an die vorgegebenen Bedingungen anzupassen um sein Überleben zu sichern und empfindet diese zunächst als "normal" bevor es andere Beispiele kennenlernt. Die Schuld bei der Bezugsperson zu suchen, von der es auf unterschiedlichen Ebenen abhängig ist und welche eine Vorbildwirkung erfüllt, scheint sehr unwahrscheinlich. Als Alternative bleibt, die Schuld bei sich selbst zu suchen.
Was in der Kinderrolle plausibel und kurzzeitig sinnvoll erscheint um die Machtlosigkeit zu durchbrechen und das Gefühl von Kontrolle zu erlangen, ist langfristig jedoch ein hoher Preis. Schuldgefühle als ständiger Begleiter hemmen die Möglichkeit, ein erfülltes Leben zu führen, auf die eigenen Bedürfnisse und Wünsche einzugehen und für sich selbst einzustehen. Demnach sollten sie einen wesentlichen Teil innerhalb einer Therapie darstellen.