Darunter wird eine Reaktivierung biographischer zwischenmenschlicher Erfahrungen in gegenwärtigen Beziehungen verstanden. Vorhergehende Beziehungs- und Bindungserfahrungen, Gefühle und Erwartungen finden sich in aktuellen Beziehungen wieder. Wie sich diese darstellen, hängt von ihrer Interpretation sowie unbewussten Prozessen ab. Dieses Phänomen tritt nicht ausschließlich im Rahmen einer Therapie auf, sondern äußert sich in jeglicher Art persönlicher Kontakte.
Innerhalb einer Therapie kann die Übertragung als unbewusstes, nonverbales Rollenangebot an die BehandlerInnen verstanden werden. Die Übernahme dieser Rolle auf BehandlerInnenseite wird als Gegenübertragung bezeichnet. Je nach Prägung beeinflussen die oftmals dysfunktionalen Schemata die Wahrnehmung der BehandlerInnen. Aufgrund dessen wiederholen sich negative Bindungsmuster auch in dieser Art von Beziehung.
Eine Retraumatisierung gilt es hierbei unbedingt zu vermeiden und stattdessen eine korrigierende Erfahrung umzusetzen. Darüber hinaus ist eine gemeinsame Erarbeitung der Beziehung aus einer Metaebene heraus notwendig, wofür Offenheit elementär ist. Nur wer unstimmige oder unangenehme Emotionen gegenüber der BehandlerInnenseite kommuniziert, ist in der Lage, reaktivierte Prozesse zu bearbeiten.
In der Arbeit mit starken Persönlichkeitsanteilen stellt sich oftmals ein Kampf um Idealisierung und Abwertung, Manipulation sowie ein Ringen um Anerkennung und Bewunderung dar. Ebenso können intensive Emotionen der KlientInnen von den BehandlerInnen bis hin zu einer Rollenumkehr erlebt werden.
Es muss jedoch im Hinterkopf behalten werden, dass es sich bei aufkommenden Emotionen nicht immer um Übertragung handelt. Diese können sich auch direkt auf die BehandlerInnen beziehen. Ebenso ist Übertragung umgekehrt von den BehandlerInnen auf die KlientInnen möglich.